Wachsende Risiken durch Stechmückenübertragene Krankheiten in Bayern: Sensibilisierung betroffener Zielgruppen und Information breiter Gesellschaftskreise (BayByeMos)

Universität Bayreuth

Hintergrund und Ziel des Projekts

Stechmückenübertragene Krankheiten stellen noch weitgehend unterschätzte Risiken dar. Die Übertragung derartiger Krankheiten spielte hierzulande in der jüngeren Vergangenheit keine nennenswerte Rolle. Dies geht mit der hohen Wahrscheinlichkeit einher, dass entsprechende Krankheitsbilder, sollte es zu lokalen Übertragungen kommen, nicht korrekt diagnostiziert werden können. Die Problematik ist neuartig und darüber hinaus komplex, weil arbovirale Krankheiten wie Dengue oder Chikungunya durch Insekten übertragen werden, die bisher in Mitteleuropa nicht vorkamen. Diese werden häufig durch Warenverkehr und Reiseverkehr eingeführt werden und breiten sich invasiv aus, wie die Asiatischen Tigermücke (Aedes albopictus). Aber auch heimische Stechmückenarten können neuartige Viren übertragen, wie z. B. das West-Nil-Virus, das über Zugvögel und Reisende eingetragen wird. Ein validiertes Frühwarnsystem liegt deutschlandweit bisher nicht vor.

Unverändert beeinflusst der Klimawandel in Bayern die Ansiedlung neuartiger Stechmücken und Erreger, sei es durch längere Aktivitätsphasen, die Zahl der Stechmückengenerationen, oder durch Überdauern der Embryonen im Ei bei milderen Winterbedingungen. Auch die Replikation von Viren in der Stechmücke läuft bei warmen Temperaturen schneller ab. Städtische Wärmeinseln stellen hierbei eine besondere Herausforderung für ein Frühwarnsystem dar, da übliche Modellansätze häufig nicht die nötige feine räumliche Auflösung erreichen, um das Mikroklima zu berücksichtigen. Eine detaillierte Analyse des Einflusses städtischer Wärmeinseln auf die Ansiedlung und Entwicklung von Stechmücken und die Möglichkeit der Krankheitsübertragung liegt deutschlandweit nicht vor.

Folgende Projektziele werden im Projekt BayByeMos verfolgt, dabei wird besonderer Wert auf Praxisbezug, Evaluierung und Validierung gelegt:

  • Validierung und Ergänzung des bestehenden epidemiologischen Modells für West-Nil-Fieber Erkrankungen durch räumliche Erweiterung des bisherigen Frühwarnsystems auf Ausbruchsgebiete in Deutschland
  • Räumliche und zeitlich differenzierte Abschätzung des Übertragungsrisikos für West-Nil-Virus und Chikungunya Virus im städtischen Umfeld
  • Räumliche und zeitlich differenzierte Schätzung der möglichen Abundanz (Zahl der Individuen) der Asiatischen Tigermücke im städtischen Umfeld
  • Einbindung von Temperaturdaten aus Klimawandelprojektionen für die epidemiologischen und populationsbiologischen Modelle im innerstädtischen Umfeld
  • Anwenderfreundliche Optimierung des Frühwarnsystems unter Einbezug von Experten und Expertinnen, verschiedenen Interessensgruppen und der Bevölkerung
  • Sekundärnutzung der Evaluationsergebnisse durch Hinzuziehen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD): Entwicklung eines vereinfachten Score-Systems zur Bekanntgabe von präventiven Verhaltensregeln in Risikogebieten

Relevanz des Projektes für Praxis und Politik (v. a. in Bayern)

Das Projekt verbessert die Einschätzung von gesundheitlichen, klimaassoziierten Risiken in Bayern. Darüber hinaus können mittels der Entwicklung von vorbeugenden Anpassungsstrategien die gesundheitsgefährdenden Auswirkungen in Bayern aber auch ganz Deutschland abgeschwächt werden. Es unterstützt die bayerische Praxis und Politik entsprechend der Bayerischen Klima-Anpassungsstrategie und dem Maßnahmenpaket der Bayerischen Klimaschutzoffensive. Im Hinblick auf das mögliche neue Auftreten von zoonotischen Infektionskrankheiten in Bayern, spielt das “Monitoring vektorgetragener Expositionen und Infektionskrankheiten" und die “Entwicklung von Frühwarnsystemen” eine entscheidende Rolle.

Die Projektergebnisse dienen der Aufklärung der Bevölkerung zu möglichen neuartigen gesundheitlichen Gefahren. Darüber hinaus ermöglicht BayByeMos erweitere Schulungsinhalte für das medizinische Fachpersonal im Zusammenhang mit zunehmenden gesundheitlichen Belastungen durch Krankheitsüberträger/-symptome und ergänzt bisherige gängige Diagnostik-Portfolios. Die Bekanntmachung und Informationsvermittlung zu neuartigen stechmückenübertragenen Infektionskrankheiten gegenüber betroffenen bayerischen Bürgern, dem ÖGD und der Ärztinnen- und Ärzteausbildung ist somit zentraler Bestandteil von BayByeMos.

Methoden

Auf Grundlage des vorangegangenen Projektes BayVirMos wird das epidemiologische Modell für West-Nil-Fieber Erkrankungen erweitert und validiert sowie die räumliche Auflösung der täglichen Vorhersagen für stechmückenübertragene Infektionskrankheiten für Städte verbessert. Für die Validierung des Warnsystems wird dieses auf Ausbruchsgebiete in Deutschland erweitert, und mit bereits aufgetretenen Erkrankungsfällen des West-Nil-Fiebers v. a. im Osten Deutschlands verglichen. Das Modell kann dann durch Anpassung der Parametrisierung, Ergänzung oder Veränderung einzelner Kompartimente auf die aktuelle Situation in Deutschland angepasst werden. Damit wird die Risikoabschätzung auch für Bayern verbessert. Außerdem sollen die epidemiologischen Modelle für West-Nil-Fieber und Chikungunya für die besondere Situation im urbanen Raum angepasst werden. Ein populationsbiologisches Modell wird für die Asiatische Tigermücke entwickelt. Für alle Modelle wird die räumliche Auflösung durch die Einbindung von modellierten Temperaturdaten, Stationsdaten bzw. Fernerkundungsdaten erhöht.

Eine zielgruppenspezifische Evaluation des Frühwarnsystems (u. a. mit Ärztinnen und Ärzten, vulnerable Personen, Fachexpertinnen und Fachexperten) wird durchgeführt. Die Evaluation wird mittels qualitativer Experteninterviews und quantitativer Befragung der Bevölkerung erfolgen, um das Frühwarnsystem an die Bedürfnisse der vulnerablen Gruppe, Bürgerinnen und Bürger sowie Ärztinnen bzw. Ärzten zu adaptieren und es als zentrale Anlaufstelle für aufkommende neue Erkrankungen zu etablieren. Zudem wird die Akzeptanz, die hemmenden und unterstützenden Faktoren zum alltäglichen Betrieb der Online-Plattform durch die Nutzerinnen und Nutzer ermittelt. Es wird analysiert werden, wie oft und inwieweit sich Ärztinnen und Ärzte sowie die Bevölkerung mit stechmückenübertragenen Infektionskrankheiten auseinandersetzen und wie dies durch das Frühwarnsystem optimiert werden kann. Aufbauend auf den Ergebnissen wird ein allgemein verständlichen Score-Systems entwickelt. Ein einheitliches Ampel-Warnsystem dient hierbei als Vorbild und soll die Nutzerinnen und Nutzer über das lokale Infektionsrisiko für bestimmte stechmückenübertragene Krankheiten informieren. Den Warnstufen Rot, Gelb, Grün liegen zu definierenden Schwellenwerten zu Grunde, die auf lokalen begünstigenden Faktoren zur Ansiedlung von Vektoren und zur Übertragung von Zoonosen basieren. Daraus resultieren je nach Risiko und Warnstufe unterschiedliche Verhaltensempfehlungen sowie Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung, welche sich leicht und praktikabel in den Alltag integrieren lassen und letztlich in einer reduzierten Ansteckung und Ausbreitung stechmückenübertragener zoonotischer Erkrankung resultieren sollen.

Projektfortschritte

BayByeMos konnte die qualitative Evaluation des bestehenden Frühwarnsystems vorantreiben. Das Projekt entwickelte ein neues epidemiologisches Model für West-Nil-Fieber Erkrankungen einschließlich eines populationsbiologischen Modells für Stechmücken. Das Model wurde anhand der Falldaten in Deutschland validiert und die Sensitivität des Models analysiert. Hier können Sie es einsehen: Spatiotemporally Explicit Epidemic Model for West Nile Virus Outbreak in Germany: An Inversely Calibrated Approach.

BayByeMos verbesserte die räumliche Auflösung von Temperaturdaten mit Hilfe von Fernerkundungsdaten als wichtiger Eingangsparameter für die verschiedenen Modelle, die dem Warnsystem zugrunde liegen werden.

BayByeMos modellierte die Anzahl möglicher Individuen der Asiatischen Tigermücke für drei bayerische Städte unter aktuellen und zukünftigen Temperaturbedingungen und leitete die Wahrscheinlichkeit der Etablierung dieses Krankheitsvektors in Abhängigkeit der vorliegenden Landbedeckung ab.