Stadtoasen im Klimawandel - Untersuchungen zur sozial-ökologischen Bedeutung von Stadtgrün für das Wohlbefinden (StOasenWandel)

Technische Universität München

Hintergrund und Ziel des Projektes

Städte werden in besonderem Maße von den Auswirkungen des Klimawandels, z. B. durch Starkniederschläge oder längere Hitzeperioden, betroffen sein. Städtische Grünflächen inklusive Bäume, Parkflächen und Wälder werden in diesem Zusammenhang in mehrfacher Hinsicht enorm an Bedeutung gewinnen. Je nach Vegetationsstruktur und Größe entfalten diese Grünflächen biophysikalisch unterschiedliche Wirkungen und tragen u. a. zum Temperaturausgleich bei. Die stadtökologische Bedeutung von urbanen Grünflächen wird in den letzten Jahren zunehmend mit Aspekten der Biodiversität und der nachhaltigen, urbanen Klimaanpassung sowie mit der Gesundheit der Menschen in der Stadt verknüpft, deren Nachfrage nach Erholung in städtischen Grünflächen steigt. Stadtgrün hat das Potential unterschiedliche Auswirkungen des Klimawandels in Städten zu mindern und dabei direkt und indirekt zur Gesundheit der Bewohnerinnen und Bewohner beizutragen.

Das StOasenWandel Projekt legt den Fokus auf die sozial-ökologische, gesundheits- und klimabezogene Bedeutung von kleinen Grünflächen: Stadtoasen. Die Bedeutung der Größe und Struktur wird im Hinblick auf mikrometeorologische und gesundheitliche Faktoren untersucht. Wir stellen die Hypothese auf, dass viele kleine Stadtoasen (<1ha) in unseren wachsenden und zunehmend wärmeren Städten eine wichtige Rolle für die urbane Klimaanpassung und die Gesundheitsvorsorge spielen und in Summe eine größere Wirkung entfalten als eine große Stadtoase.

Das Ziel des Projektes ist es zum einen zu untersuchen, welche Effekte von Stadtoasen auf die unmittelbare Umgebung und die menschliche Gesundheit ausgehen können und welche Vegetationsstrukturen sich als vorteilhaft für die gesundheitliche Vorsorge und das gemessene und gefühlte Mikroklima innerhalb der Stadtoasen herausstellen. Zum anderen sieht das Projekt vor, auf Basis der Ergebnisse zielorientierte Handlungsempfehlungen für die zukünftige Grünflächenentwicklung in Städten abzuleiten.

Relevanz des Projektes für Praxis und Politik (v. a. in Bayern)

Für die Praxis in Bayern werden wir Information liefern, wie Stadtoasen: (1) Ausgleichs-, Ruhe- und Begegnungsräume für Stadtbewohner (Gesundheit, Lebensqualität, Wohlbefinden, Naturerfahrung, Lärmreduktion) bietet; und (2) das Stadtklima (Abkühlung) insbesondere an heißen Tagen verbessert. Unsere quantitative Forschung wird Schlüsselinformationen liefern, die in die Planung und Gestaltung städtischer Grünflächen einfließen können. Der partizipative Forschungsansatz, der die Stadt München und die Bürgerinnen und Bürger in den Forschungsprozess einbezieht, ermöglicht eine Umsetzung von Forschungsergebnissen in die Praxis.

Die Ergebnisse sollen dann als Handlungsempfehlungen für Kommunen und Planer zusammengefasst werden und einen Beitrag zur klimaangepassten Gesundheitsvorsorge und der urbanen Klimaanpassung leisten. Stadtoasen sind sichtbare und wahrnehmbare Zeichen einer nachhaltigen Stadtentwicklung und schaffen Leitbilder für eine zukunftsfähige lebenswertere Stadt in Zeiten des Klimawandels. Die Ergebnisse, die exemplarisch für München entwickelt werden, haben das Potential auf andere Städte in Bayern übertragen zu werden.

Methoden

Das Projekt ist auf Stadtoasen im Stadtgebiet München konzentriert. Als Stadtoasen begreifen wir im Rahmen des Projektes sämtliche Grünflächen, die öffentlich zugänglich sind und ganz oder überwiegend von urbanen Flächen umgeben sind, die dem Transport, Wohnen sowie der Unterbringung von Gewerbebetrieben und sozialen, kulturellen und anderen Einrichtungen dienen. Solche Flächen schließen verschiedene Grünanlagen und Parks ein. Als Referenzflächen sollen drei stadtnahe Waldflächen dienen.

Die Datenerhebung folgt einem inter- und transdisziplinären Ansatz, um gesundheitswirksame, meteorologische (kleinstandörtlich-klimatisch) und ökologische Kenngrößen zu erheben. Dabei kommen v. a. Methoden der empirischen Naturwissenschaften und der partizipativen empirischen Sozialforschung zum Einsatz.

Projektfortschritte

Städtische Grünflächen inklusive Bäume, Parkflächen und Wälder gewinnen im Klimawandel aus Sicht des umweltbezogenen Gesundheitsschutzes und der Gesundheitsförderung zunehmend an Bedeutung, da sie durch mikroklimatische Regulierung sowie Raum für Naturerleben, körperliche Aktivität, Erholung und soziale Begegnung direkt und indirekt zur Gesundheit der Bewohnerinnen und Bewohner beitragen können. Gleichzeitig erfüllen diese Grünflächen je nach Lage, Vernetzungsgrad und struktureller Komplexität auch wichtige Habitatfunktionen für verschiedene Arten. Welche objektiven und subjektiven Charakteristika bedingen diese sozial-ökologischen Funktionen von Grünflächen als “Stadtoasen” - und spielt die Größe eine Rolle? Kleine vernetzte Flächen – so unsere Annahme – haben in einer wachsenden Stadt wie München das Potenzial, die Ziele von Klimaschutz und Gesundheitsförderung zu vereinbaren. In einer gerechten Weise für verschiedene Menschen, aber auch Pflanzen und Tiere.

Während die Münchner Grünflächen im Winter nur minimal kühler sind als ihre Umgebung, werden sie im Sommer zu kühlen Oasen. An Tagen mit über 30 °C kann die Lufttemperatur in den Grünflächen bis zu vier °C geringer sein. Dieser Kühlungseffekt hängt mit der Vegetationsstruktur und Größe der Grünfläche zusammen. Einflussfaktoren sind zum Beispiel der Überschirmungsgrad, die Baumhöhe und die Verteilung der Vegetation in der Fläche.

In den untersuchten Grünflächen konnten wir insgesamt 57 verschiedene Gehölzarten kartieren. Die häufigste Art ist die Gemeine Esche, gefolgt von Spitz- und Bergahorn. Im Zeitraum von März bis Mai wurden 37 Vogelarten gezählt. Die Rabenkrähe wurde am häufigsten beobachtet, aber auch einige Vogelarten, die in der Stadt typischerweise nicht zu erwarten sind. Dazu zählt der Waldlaubsänger. Dieser Vogel ist ein Zeiger für großflächige Laubwälder und wird auf der Rote Liste Bayern als "stark gefährdet" eingestuft. Auf dem Durchzug hat der Zugvogel unsere Forschungsflächen als Zwischenstopp genutzt.

Mit einer Onlinekarte sammeln wir seit Mai 2022 die “Stadtoasen” der Münchnerinnen und Münchner. Teilnehmende markieren auf der Onlinekarte ihre Oase und beantworten dann drei offene Fragen dazu, was genau den Ort zu ihrer Oase macht und welche Erfahrungen sie mit ihm verbinden. Bis zum ersten Auswertungsdurchgang im Juni 2023 wurden 208 Stadtoasen markiert und unsere ersten Ergebnisse zeigen: Öffentliche Parks unterschiedlicher Größe sind unter den genannten am beliebtesten, gefolgt von nicht speziell ausgestatteten Grünflächen, Flussufern, Spielplätzen und Seen. Die Oasen bedeuten - je nach Grünflächentyp - sowohl Ruhe als auch Bewegung und eine Chance, dem hektischen Stadtleben zu entkommen.. Erholungs- und Komfortangebote, Gewässer zum Schwimmen, alte Bäume, die vor allem im Sommer viel Schatten spenden, und eine abwechslungsreiche, naturnahe Begrünung wurden als wichtigste Elemente einer Stadtoase in München genannt.

Eine vorläufige räumliche Analyse ergab eine ungleichmäßige Verteilung über die Stadtteile, wobei wir die kleine Stichprobe als noch nicht aussagekräftig einstufen und daher ergänzend ein proaktives Crowd-sourcing durchführen, indem wir Menschen in verschiedenen Stadtteilen ansprechen um mehr Reichweite, aber auch Inklusivität zu erreichen, da nicht alle Münchnerinnen und Münchner Online-Formate nutzen.

Neben dem stadtweiten “crowdsourcing” von Stadtoasen haben sich bislang 629 Menschen an unserer Befragung in 52 Probeflächen beteiligt. Es geht dabei darum zu verstehen, wie Besuchende verschiedene öffentliche Grünflächen in München wahrnehmen, wie sie sie nutzen, wofür sie sie schätzen und wie sie sich während des Aufenthalts fühlen. Welche Rolle spielen die Grünflächen aus Sicht der Besuchenden für ihre Erholung, ihren thermischen Komfort, für soziale Begegnung, für das Naturerleben und für Aktivitäten, die das Wohlbefinden fördern? Die Auswertung erfolgt nach einem Jahr - wenn alle Jahreszeiten abgedeckt sind. Spannend wird: Welche Unterschiede finden wir dabei? Denn auch im Klimawandel sind Grünflächen “mehr als kühlende Oasen”.

Da uns die Hitze aber zunehmend belasten wird und wir konkrete Lösungen vor Ort schaffen müssen, haben wir in diesem Jahr testweise “Klimaspaziergänge” in Berg am Laim durchgeführt, um zu messen, wie sich verschiedene grüne und graue Orte in der Nachbarschaft auf mikroklimatische Bedingungen auswirken und wie die Anwohner*innen diese Erleben. Das unterscheidet sich nämlich durchaus zwi-schen Individuen und ist für die Raumplanung sowie Angebote zur örtlichen Gesundheitsförderung relevant. Zur Auswertung der ersten Spaziergänge findet noch diesen Herbst in Zusammenarbeit mit dem Nachbarschaftstreff baum20 in Berg am Laim eine Gesprächsrunde statt.