TARA: Thunderstorm Asthma in der Region Augsburg

Universität Augsburg: Lehrstuhl für Physische Geographie mit Schwerpunkt Klimaforschung, Universitäres Zentrum für Gesundheitswissenschaften am Klinikum Augsburg (UNIKA-T)/TU München: Lehrstuhl für Umweltmedizin, Universitätsklinikum Augsburg: II. Klinik für Kinder und Jugendliche

Hintergrund & Ziel des Projektes

Das Phänomen "Thunderstorm Asthma" bzw. "gewitterbedingtes Asthma" bezeichnet das gehäufte Auftreten teilweise schwerer Asthmaanfälle im zeitlichen und räumlichen Umfeld von Gewittern. Studien zu solchen Ereignissen aus Australien, Nordamerika, Italien und Großbritannien zeigen ein Zusammentreffen dieser Events mit erhöhten Konzentrationen verschiedener Pollen- und Pilzsporenarten in der Luft. Mögliche Erklärungsansätze zur Entstehung von Thunderstorm Asthma beinhalten ein Zusammenspiel verschiedener Mechanismen. So wird in bisherigen Studien vermutet, dass Pollen und Pilzsporen, die durch Böen im Vorfeld eines Gewitters verstärkt aufgewirbelt werden und mit atmosphärischer Feuchte in Kontakt geraten, osmotisch bedingt bersten, und eine große Zahl kleiner, lungengängiger Partikel (0,6 bis 2,5 μm) frei setzen. Diese könnten durch die Abwinde der Gewitterzelle in Bodennähe aufkonzentriert werden, was eine starke Erhöhung der Allergengehalte in der Umgebungsluft zur Folge hätte. Die Expositionssituation für betroffene Personen würde sich dadurch massiv verstärken. Auch die elektrische Ladung innerhalb der Gewitterwolke wird als möglicher Einflussfaktor diskutiert.
Ziel des Projekts TARA ist die retrospektive Quantifizierung des Thunderstorm Asthma Risikos erstmalig für Bayern sowie die umfassende Charakterisierung asthma-relevanter Gewitterereignisse auf Basis von Klima-, Aeroallergen- und Gesundheitsdaten.

Relevanz des Projektes für Praxis und Politik (v.a. in Bayern)

In Zentraleuropa gehört Süddeutschland zu den Regionen mit der höchsten Gewitterhäufigkeit, Untersuchungen zu Thunderstorm Asthma in Mitteleuropa fehlen jedoch bislang. Da im Zuge des Klimawandels mit verstärkter Gewitteraktivität zu rechnen ist und zudem bereits eine Zunahme von Allergien beobachtet wird, ist die Untersuchung des Risikos für Thunderstorm Asthma in unserer Region von besonderer Bedeutung. Auch hatten einzelne extreme Thunderstorm Asthma Ereignisse in der Vergangenheit schwerwiegende Folgen. Im Hinblick darauf ermöglicht eine Risikoabschätzung die langfristige Ausrichtung der medizinischen Notfallversorgung auf dieses Phänomen.

Methoden

Im Projekt TARA werden Klima-, Aeroallergen- und Gesundheitsdaten mit statistischen Methoden auf Zusammenhänge untersucht. Die Daten umfassen flächendeckende Blitz- und Niederschlagsinformationen und verschiedene großskalige und lokale meteorologische Variablen. Hinzu kommen langzeitige täglich aufgelöste Daten zu asthma-bedingten Notarzteinsätzen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern sowie täglich aufgezeichnete Symptome (okular, nasal, pulmonal) aus Kohortenstudien mit umfassend charakterisierten Teilnehmern mit bekanntem Allergiestatus. Zweistündlich aufgelöste Pollen- und Pilzsporen liegen für Augsburg (seit 2015), aber auch für über 20 weitere bayerische Standorte, differenziert nach verschiedenen Arten vor. Neben den statistischen Analysen mittels Hypothesentests und optimierten Wetterlagenklassifikationen sollen Fallstudien einzelner Tage bzw. Ereignisse zur Untersuchung der Wirkungs¬zusammen¬hänge beitragen.

Erste Ergebnisse

Bei einer ersten, einfachen Klassifikation wurden lediglich zwei Klassen gebildet, eine für Sommertage ohne asthma-bedingte Notfälle (CL01, links) und eine für Sommertage mit mindestens einem Fall (CL02, rechts) in Augsburg. Abbildung 1 zeigt die Anomalien der Höhe der planetaren Grenzschicht, einem Maß der Stabilität der atmosphärischen Schichtung, beider Klassen im Vergleich zum Gesamtmittelwert. Es fällt auf, dass die Grenzschicht an Tagen mit asthma-bedingten Notarzteinsätzen deutlich höhere Werte annimmt, als an Tagen ohne Asthmanotfälle. Da bei größeren Höhen der planetaren Grenzschicht die Durchmischung der¬selben kräftiger ist, ist in solchen Situationen mit mehr Konvektion und somit stärkerer Gewittertätigkeit zu rechnen. Somit ist das Ergebnis dieser ersten Analyse als Hinweis für die Relevanz des gewitterbedingten Asthmas in Bayern zu bewerten. Darüber hinaus zeigen auch erste Hypothesentests schwache aber dennoch signifikante Zusammenhänge zwischen dem Auftreten von Gewittertagen und Tagen mit Asthmaanfällen in verschiedenen bayerischen Städten. Weitere objektive Verfahren zur Wetterlagenklassifikation, die eine Optimierung hinsichtlich der Zielgröße „Asthma“ ermöglichen, sowie differenziertere statistische Tests sollen im weiteren Projektverlauf hier genauere Einblicke liefern. Zudem wurden bereits erste statistische Zusammenhänge zwischen bestimmten Pollen- und Pilzsporenarten und Gewitterereignissen in Augsburg und Bayern gefunden. Brennnessel-, Gras- und Wegerichpollen sowie Alternaria Pilzsporen gehen hierbei mit erhöhten Auftrittshäufigkeiten von Atemwegsproblemen einher, sowohl bei der Betrachtung verschiedener Jahre und Orte als auch verschiedener Kohorten.

Abbildung 1: Anomalien der 18 Uhr-Werte der planetaren Grenzschichthöhe [m] im Vergleich zum Gesamtmittel im bayerischen Raum für 542 Tage ohne (links) und 88 Tage mit (rechts) asthma-bedingten Notarzteinsätzen in Augsburg im Sommer (Juni, Juli, August), Kreuze zeigen die Lage ausgewählter Städte an.